Georg Toepfer
Transformationen antiker Wissenschaften, Aus dem Vorwort

Die Antike hat prägende Formen der Wissenserzeugung und Wissensorganisation hervorgebracht. Dies gilt in sozialer Hinsicht für die Konstituierung lokaler Vereinigungen und Schulen; es gilt für die theoretischen Bemühungen um eine Systematisierung des Wissens in argumentativ geschlossenen Abhandlungen sowie die methodische Reflexion über den Status und die Begründbarkeit von Wissen; und es gilt auch für Ansätze einer experimentellen Methodik und die Verkörperungen des Wissens in routinierten Praktiken und Produkten der Technik.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes steht die Frage nach diesen Formen der Wissenserzeugung und Wissensorganisation und ihren Transformationen. Nicht nach dem einfachen Nachweis der Rezeption antiken Wissens in späteren Kulturen wird gefragt, sondern überhaupt erst nach der Begründung und Veränderung des Komplexes von Faktoren, die zusammen Wissenschaft ausmachen. Am Beispiel verschiedener Wissensfelder werden unterschiedliche Aspekte der Transformation der antiken Wissensformen behandelt. Die leitende Frage lautet dabei, worin sich jeweils die Wissenschaftlichkeit des Wissens manifestiert, worin also die je eigenen Merkmale und Kriterien der Wissenschaftlichkeit unterschiedlicher Wissenschaften bestehen. In einem spezifischen Verständnis liefert das Konzept der Transformation dabei den zentralen Ausgangspunkt: Der Bezug zur Antike besteht nicht in einer einseitigen Rezeption eines über die Zeiten gleich bleibenden Gegenstandes, sondern stellt vielmehr eine zweistellige Relation der voneinander abhängigen Fremd- und Selbstkonstruktion dar. Wissenschaftsgeschichtlich bildeten sich einerseits die Maßstäbe der Wissenschaften vielfach über die Rezeption der antiken Wissensformen, andererseits führte umgekehrt die jeweilige Konstituierung einer Wissenschaft zu einer Transformation dieser Maßstäbe und damit auch zu einer unterschiedlichen Einschätzung der Wissenschaftlichkeit antiker Vorläufer. Weil in dem Prozess der Transformation Bedingungen erzeugt werden, die das Rezipierte selbst verändern, ergibt sich damit insgesamt ein komplexes transformationstheoretisches Verhältnis der doppelpoligen Beziehung. Dieses Verhältnis wird in den hier versammelten Beiträgen aus verschiedener Perspektive untersucht.

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